Auf Einladung des Deutschen EDV-Gerichtstags haben wir am 13. Juni am Kick-Off Workshop der Projektgruppe LegalVision in der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen in Berlin teilgenommen. Unter dem Label „Der digitale Strafgerichtssaal“ teilten Christof Püschel (verte|rechtsanwälte), Prof. Dr. Jan Orth (Vorsitzender Richter am Landgericht Köln) und Alexander Dierselhuis (Staatsanwaltschaft Düsseldorf) ihre jeweilige Sicht auf die Möglichkeiten eines voll-technologisierten Gerichtssaals in kurzen Impulsvorträgen mit.
Wie weit die jeweiligen Vorstellungen zwischen Anwälten und Anklage bzw. Richter da auseinander gehen können, wurde schnell deutlich. Während Professor Orth von Augmented Reality Brillen schwärmte, mit denen er – selbstverständlich unter Wahrung datenschutzrechtlicher Bestimmungen – blitzschnell Personen im Gerichtssaal identifizieren könne und sich eine Virtualisierung von Tatorten zur Vermeidung von aufwändigen Ortsterminen gut vorstellen kann, war der größte Wunsch von RA Christof Püschel ein zeitnah zur Verfügung gestelltes Wortprotokoll des jeweiligen Verhandlungstages.
Die anschließenden Diskussionen drehten sich weniger um die Frage, wie realistisch solche Systeme zeitnah umgesetzt würden, schließlich handelte es sich bei den Impulsvorträgen vor allem um „Träume“ und Wünsche von Richter und Staatsanwalt. Stattdessen ging es vor allem um zwei Aspekte: Die kurzfristige Umsetzung der heute verfügbaren Technologien in einem Showcase, um Beteiligten Möglichkeiten und Vorteile der Modernisierung der Justiz zu verdeutlichen und um datenschutzrechtliche Bedenken bei der Digitalisierung bisher weitgehend analoger Aspekte der Justiz.
Im zweiten Teil des Workshops verglich Staatsanwalt Andreas Brück (StA Köln, ZAC NRW) verschiedene Systeme der Online-Strafanzeige der Polizeien der Länder. Anhand eines Anforderungskatalogs zu Usability und Kundenfreundlichkeit stellte er Vor- und Nachteile der teils sehr unterschiedlichen Systeme heraus und ergänzte diese um in seinen Augen unumgängliche Funktionen eines nutzerfreundlichen und die Polizeiarbeit unterstützenden Anzeigensystems. Kurz zusammengefasst: kontextlose Freitextfelder sind wenig hilfreich.
Der Auftaktworkshop war für die Legal Tech Initiative Saarland eine gute Gelegenheit, um zu netzwerken und auch um auf die besonderen Fähigkeiten von Tech-Start-Ups bei den Digitalisierungsprojekten der Verwaltung hinzuweisen. Dass große Firmen nicht zwangsläufig besser für die Umsetzung solcher Großprojekte geeignet sind, zeigte ja in den vergangenen Jahren das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA).
Ein erster Showcase, wie der zukünftige digitale Gerichtssaal aussehen könnte, soll bereits auf dem kommenden EDV-Gerichtstag vom 18. bis 20. September in Saarbrücken präsentiert werden.